“Wir wollen keinen Gläsernen Menschen”
Wegen der heutigen Story in der “Futurezone” des ORF - “Googles verstecktes Netz in den Online-Medien” - möchte ich die Google-Analytics-Problematik noch einmal Revue passieren lassen:
Dass der US-Konzern die Suche im Internet dominiert, ist hinlänglich bekannt. Dass Google die Daten von mehr als 800 Millionen Internet-Nutzern sammelt, hat sich auch herum gesprochen. Dass Google aber auch die Kontrolle über “ganz normale” Webseiten, von privaten Homepages bis hin zu Video-Portalen, Nachrichten-Seiten oder sogar Parteien hat, ist weniger bekannt. Auch wo nicht Google drauf steht, ist Google drinnen.Google liest bei 83 Prozent der Top 300.000 Webseiten mit. Welche Webseite welches Google-Service integriert hat, kann jeder mit Hilfe des Services Ontraxx.net feststellen.
Am 24. April habe ich im KURIER folgenden Bericht veröffentlicht:Auch bei Parteien wird spioniert Den meisten IT-Verantwortlichen bei Behörden, Parteien und Ämtern dürfte es wohl bewusst sein, dass Googles Dienste den Datenschutz untergraben und daher gemieden werden müssen, die Problematik dürfte sich aber noch nicht bei allen herum gesprochen haben.
SPÖ, BZÖ und LIF sind Google-frei, FPÖ (fpoe.at/vbg.fpoe.at), ÖVP und die Grünen haben Services der Datenkrake integriert: Die Wiener ÖVP sowie sieben VP-Bezirksvertretungen schicken (unbewusst) die Nutzerdaten zur Auswertung in die USA, und bei den Grünen, denen man mehr IT-Know-how zugetraut hätte, sind es die Vertretungen Wien-Innere Stadt und Mödling, die ihre Web-Nutzer von Google ausspionieren lassen.Für Bundes-Behörden gibt es kein offizielles Google-Verbot: “Das liegt in der Selbstverantwortung der Ressorts”, sagt der IKT-Verantwortliche im Bundeskanzleramt, Roland Ledinger, “allerdings tauschen sich die IT-Verantwortlichen aus”. Diese haben erkannt, dass man bei Googles Gratis-Diensten achtgeben muss; nur ein Ministerium fällt aus der Reihe: Im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) hat die Bundesanstalt für Verkehr Google-Analytics integriert.
Auch drei Gemeinden wissen nicht, dass sie den US-Suchgiganten mit wertvollen Infos versorgen: Auf Wien.at, wenn man die Büchereien- und Info-Webseite nutzt, und auf den Homepages von Schwechat sowie Velden werden die Besucher von Google ausspioniert.Reaktion der Politik
Am 21. Mai hat die Politik reagiert, die österreichischen Parteien haben Google Analytics aus ihren Web-Auftritten verbannt. Zumindest haben sie es damals versprochen. Weil, und da möchte ich einen Parteien-Vertreter zitieren: “Wir wollen keine gläsernen Menschen, daher haben wir Google Analytics deaktiviert.
“Anbei die politischen Reaktionen zum Nachlesen:
Google wird aus den Web-Auftritten der heimischen Parteien verbannt, sie haben das umstrittene Web-Analyse-Tool “Google Analytics” vom Netz genommen. SPÖ, BZÖ und LIF waren schon immer Google-frei, “Weil es den Prinzipien des Grundrechtsschutzes widerspricht, den User auszuspionieren”, sagt LIF-Abgeordneter Alexander Zach. Nun haben FPÖ und Grüne nachgezogen.
“Wir können nicht gegen den Überwachungsstaat sein und eine Platterwatch-Kampagne fahren und dann die Internet-Nutzer von Google ausspionieren lassen”, sagt die IT-Verantwortliche bei den Grünen, Niki Nickl. “Google Analytics hätte bei uns nie eingeschaltet werden dürfen. Wir haben es bereits vom Netz genommen.” Bei den Grünen haben die Vertretungen Wien-Innere Stadt und Mödling den Suchgiganten unbewusst mit User-Infos versorgt.
Auch die FPÖ, die Googles Analyse-Tool als “sehr gut aber zu mächtig” bezeichnet, hat es nach dem KURIER-Bericht vom Netz genommen: “Mit der Summe der Informationen, die hier gesammelt werden, kann Google sehr viel anfangen und sie sogar gegen den Nutzer verwenden”, sagt FP-Sprecher Joachim Stampfer. “Wir wollen keinen gläsernen Menschen, daher haben wir den Dienst deaktiviert.”Die ÖVP, die Google Analytics auf der Webseite der Wiener ÖVP sowie sieben Bezirksvertretungen einsetzt, überlegt noch, das Spionage-Tool auszuwechseln: “Wenn es Bedenken der Datenschützer gibt, werden wir sie natürlich ernst nehmen”, so der Wiener VP-Sprecher Robert Zwickelsdorfer. “Wir werden uns Alternativen überlegen, aber wir haben als VP-Landesorganisation ein kleines Budget.” Google Analytics sei eben kostenlos. “Und unsere System-Administratoren haben gemeint, es gäbe auf den Webseiten ohnehin keine heiklen Inhalte.”
Datenschützer sehen das freilich anders. “Wenn ich eine bestimmte Webseite besuche, rechne ich damit, dass der Betreiber der Seite Aufzeichnungen zu den Zugriffen macht”, sagt ARGE-Daten-Chef Hans Zeger. Man müsse aber nicht damit rechnen, dass der Betreiber diese Daten an einen Dritten weiter gebe. Fraglich ist auch, was dieser Dritte mit den Daten macht. Eine datenschutzkonforme Webseite müsste laut Zeger entweder frei von derartigen Elementen sein oder es müsse explizit darauf hingewiesen werden, wer diese Daten erhält.
Für mich ist eines interessant: Wenn die Parteien und Ministerien Google Analytics verbieten bzw. es offensichtlich so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz gibt, Google Analytics nicht zu verwenden, müssen sich die IT-Verantwortlichen wohl etwas dabei gedacht haben. Warum ist Google Analytics aber nach wie vor bei vielen Unternehmen erlaubt? Sind die Daten von Internet-Nutzern, die die Webseite einer Firma besuchen leicht weniger sensibel?
Tags: ARGE DATEN, Datenschutz, Google Analytics, Ontraxx
May 21st, 2008 at 9:00 am
Ja wie so oft, wissen halt viele nicht, wieviele Daten Google über die eigene Homepage und deren User auswerten kann. Wir haben zwar ein schön aufbereitetes Google Analytics für den Administrator der Website, mich würde aber interessieren, was alles vom Google JS getrackt wird.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man mittels Cookies und JavaScript und den in der Datenbank gesammelten Daten über wochen verschiedene Transaktionen immer noch im Zusammenhang bringen kann. Da ich beruflich mit Trackingkonzepten und techniken gearbeitet habe, weiß ich nur zu gut, dass die technischen Möglichkeiten mittlerweile viele Daten übertragen und auswerten können.
May 21st, 2008 at 10:49 am
Wer einen Online-Shop betreibt, bewirbt ihn am besten über Googles AdWords und integriert Google Analytics. Dann kann einem Google aus den gesammelten Daten und durch Vergleich mit der Konkurrenz einen Business Forecast erstellen, damit man auch gleich die Lagerbestände optimieren kann.
Interessant wäre vielleicht auch noch zu wissen, welche politische Gesinnung die Kunden haben. Denn schliesslich weiss Google, welche Webseiten diese besuchen. Auch Rückschlüsse auf den Ausgang von Wahlen wären zum Besipiel möglich. So werden teure Marktforschungsstudien und Wählerumfragen obsolet. Schöne, bunte Google-Welt!
May 28th, 2008 at 6:29 pm
Naja man sollte mal die Kirche im Dorf lassen. Natürlich wertet Google Analytics sehr viel aus, aber ich finde Cookies & Co. waren und sind die größere Gefahr für den Datenschutz. Wenn man in dieser vernetzten Welt überhaupt noch von Datenschutz sprechen kann. Es bleibt jeden selbst überlassen wieviel er von sich im Internet Preis gibt bzw. wo er sich im Netz aufhält. Die guten Seiten von Google Analytics sollte man daher nicht durch die Gefahren doktrinieren… denn sonst müssen wir Webmaster wieder mit gratis Counter und sonstigen “Old-School-Zählern” arbeiten :))
June 11th, 2008 at 2:22 pm
Wie wär’s, mal vor der eigenen Tür zu kehren? Duch die Einbindung von flickr und YouTube hören Yahoo und Google auch hier mit!
June 11th, 2008 at 3:29 pm
@ hans@gmail.com
nochmals zum verständnis: youtube ist kein analyse-programm und auch flickr nicht….
ich kehre gerne vor der eigenen tür, allerdings wissen sie offensichtlich nicht, was google analytics kann, welche daten gesammelt werden…kurz zusammengefasst: Google Analytics ist ein Gratis-Tool, das jeder in seine Homepage integrieren kann. Damit lassen sich zwar praktische Statistiken erstellen; woher Besucher kommen, welche Seiten sie sich anschauen, auf welche Elemente sie klicken etc. Gespeichert wird aber auch die IP-Adresse der Nutzer, und diese gilt als personenbezogene Information.
ihr reinigungstipp meines hauseingangs geht somit ins leere
March 9th, 2010 at 4:09 pm
Herr Reischl, sie sollten sich klar machen dass die Einbindung des Youtube-Players in die eigene Website Google die gleichen Daten zur Analyse überträgt wie die Einbindung von Google Analytics oder einem Doubleclick Banner. Der Unterschied ist lediglich, dass man die gesammelten Daten nicht einsehen kann (wie bei GA).