Tag der Entscheidung: AGAINST the stockholder proposal
Wenn sich heute im kalifornischen Mountain View die Google-Aktionäre zur alljährlichen Aktionärsversammlung treffen, werden zwei Themen wohl ganz oben stehen: Die geplatzte Übernahme Yahoos durch Microsoft und die Kooperation Googles mit Yahoos - man arbeitet ja testweise in den USA schon seit kurzem fleißig bei der Online-Werbung zusammen, was bei den Suchanzeigen im Web einen Marktanteil von 90 Prozent darstellen würde. Eine Marktdominanz wie sie schlimmer nicht sein könnte. Wie wäre eine Welt, in der 90 Prozent der Autos VW-Golf-Modelle wären, was sicherlich VW freuen würde, aber kein Zeichen von Vielfalt wäre. Das wäre eine monotone Gesellschaft a la George Orwell.
Ich bin gespannt, was die Google-Direktoren ausgebrütet haben und ihren Aktionären verraten werden. Aber das Hilfsangebot Googles an Yahoo! war meiner Meinung nach peinlich genug, der Anruf Eric Schmidts an Jerry Yang, dass man Yahoo! unterstützen werde, nicht von Microsoft geschluckt zu werden. Der Quasi-Monopolist fürchtet die Konkurrenz. Der mächtigste und gefährlichste im Web warnt vor einem, der die Zähne verloren hat…
Das eigentlich Spannende sind aber zwei Anträge, die heute gestellt werden, und das möchte ich in Erinnerung rufen. Es stehen nämlich zwei weitere Themen an der Tagesordnung. Die Ober-Googler werden sich aber nicht lange damit aufhalten und die Themen vom Tisch wischen, wie die Tagesplanung beweist. Die Lektüre des „2008 ANNUAL MEETING OF STOCKHOLDERS NOTICE OF ANNUAL MEETING AND PROXY STATEMENT“ ist jenen zu empfehlen, die nach wie vor der Meinung sind, dass Google eine brave Firma ist und nichts Böses tut….(das hab ich ja schon im März, als bekannt geworden ist, wie die Google-Chefs mit kritischen Anträgen und kritischer Stimmung umgehen, geschrieben).
Der New Yorker Rechnungshof „Office of the Comptroller of New York City“ und das Kloster „St. Scholastica“ haben einen Antrag gestellt, dass sich Google gegen Zensur stellen, das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Presse unterstützen und Daten von Nutzern nicht mehr speichern soll.
Das sind die Forderungen (Proposel 4) im Originaltext:
1) Data that can identify individual users should not be hosted in Internet restricting countries, where political speech can be treated as a crime by the legal system.
2) The company will not engage in pro-active censorship.
3) The company will use all legal means to resist demands for censorship. The company will only comply with such demands if required to do so through legally binding procedures.
4) Users will be clearly informed when the company has acceded to legally binding government requests to filter or otherwise censor content that the user is trying to access.
5) Users should be informed about the company’s data retention practices, and the ways in which their data is shared with third parties.
6) The company will document all cases where legally-binding censorship requests have been complied with, and that information will be publicly available.
Im nächsten Antrag (Proposal Nr. 5) wird von Harrington Investments ein eigenes Menschenrechts-Komitee gefordert.
Der Originaltext:
Board Committee on Human Rights. There is established a Board Committee on Human Rights, which is created and authorized to review the implications of company policies, above and beyond matters of legal compliance, for the human rights of individuals in the US and worldwide…..
The proposed Bylaw would establish a Board Committee on Human Rights which would review and make policy recommendations regarding human rights issues raised by the company’s activities and policies. We believe the proposed Board Committee on Human Rights could be an effective mechanism for addressing the human rights implications of the company’s activities and policies as they emerge anywhere in the world. In defining “human rights,” proponents suggest that the committee could use the US Bill of Rights and the Universal Declaration of Human Rights as nonbinding benchmark or reference documents.
Mich erschüttert die Antwort bzw. Empfehlung der Google-Direktoren an die Aktionäre, die für mich ein eindeutiges Indiz sind, dass es Google mit Datenschutz und Menschenrechten nicht sehr ernst nimmt und dass Googles Datenschützer Peter Fleischer so was wie ein Maler und Anstreicher ist, der die bunte Google-Fassade und das coole Image immer frisch halten muss. Das ist die Antwort auf beide Anträge - bildet euch eure eigene Meinung…
Recommendation: Our board of directors recommends a vote AGAINST the stockholder proposal.
Tags: Aktien, Aktionärsversammlung, Datenschutz, Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Peter Fleischer, Privatsphäre, Stock
May 9th, 2008 at 11:50 pm
Hier noch ein Artikel zum Thema:
http://www.frogged.de/index.php?option=com_content&task=view&id=18&Itemid=34
May 19th, 2008 at 2:58 am
1) Data that can identify individual users should not be hosted in Internet restricting countries, where political speech can be treated as a crime by the legal system.
Das dürfte nach amerikanischer Definition auch auf Deutschland zutreffen. In den USA werden Auschwitzlüge und anderes revisionistisches und volksverhetzendes Gesabbel bekanntlich unter “free speech” abgehandelt, während sie in Deutschland aus gutem Grund als Straftatbestand zählen…
Wenn man die juristische Hoheit der Staaten in denen man als Firma operiert anerkennt, wäre es viel vernünftiger zu fordern, daß die Identifikationsdaten immer in dem Staat gespeichert werden wo sie entstehen, so daß die jeweilige Regierung bei Bedarf Zugriff darauf hat…
Schließlich ist die Firma Google im Nicht-US-Amerikanischen Ausland immer nur zu Gast, und werden sich den jeweiligen Gepflogenheiten so weit wie nötig unterwerfen. Ansonsten machen die entsprechenden Länder eben ihren Deal mit anderen Unternehmen die sich nicht “don’t be evil” zum Wahlspruch gemacht haben.
Und Punkt 3 ( The company will use all legal means to resist demands for censorship.) könnte Google extrem teuer zu stehen kommen, weil es praktisch in jedem Land Zensur gibt, und Google permanent teure Prozesse führen müßte. Dabei würde Google quasi zum Zwangs-Verteidiger aller zensierten Inhalte im Netz.
Da Google kein staatliches Organ ist , ist es ohnehin fraglich ob innerhalb des Webangebots von Google überhaupt von Zensur gesprochen werden kann, und ob es überhaupt die Aufgabe einer Suchmaschine sein kann oder soll, alle Daten, die im WWW auffindbar sind ungefiltert anzubieten, oder sich gar noch juristisch dafür einzusetzen.
Letzten Endes liegt es an den Aktionären zu entscheiden, ob sie in Google primär ein wirtschaftliches Unternehmen oder den globalen Botschafter für Menschenrechte und Meinungsfreiheit sehen, wie die Antragsteller von Proposal 4 und 5.
Insgesamt finde ich Ihren “Enthüllungsjournalismus” und ihre polemisierende Art zu schreiben unerträglich - auch gehört m.E. nicht besonders viel Mut dazu, Google anzuprangern, weil es den Meisten allein aufgrund seiner Größe sowieso längst unheimlich ist. Eine differenziertere Betrachtung der Zusammenhänge wäre wirklich wünschenswert - aber wenn das Ihnen hilft, Ihr Buch besser zu verkaufen, polemisieren Sie ruhig weiter.
May 19th, 2008 at 5:42 am
danke für den interessanten beitrag - trotz meiner “unerträglichen” schreibweise.
ich muss ihnen zu ihrem letzten absatz widersprechen:
erstens betreibe ich keinen enthüllungsjournalismus, zweitens finde ich (und auch andere leser) nicht, dass ich polemisch schreibe….in der neuen definition. in der altgriechischen (ich genoss eine humanistische ausbildung und lernte altgriechisch) wird ja polemos ohnehin mit streitkunst übersetzt…und dann stimmt es wiederum. ein bisschen polemik (neue definition) macht sinn, damit die masse zum lesen animiert wird und die problematik erkennt…
sie irren sich, wenn sie glauben, dass “den Meisten allein aufgrund seiner Größe” google unheimlich sei….genau das gegenteil ist der fall. das sehen sie als kritischer linux-user, aber das sieht nicht die masse der internet-user….wie erklären sie sich, dass google einen marktanteil von mehr als 90 prozent hat in d (eine unheimliche firma würde ich nicht nutzen) und dass für ein viertel aller informatiker google der traum-arbeitgeber ist….wie eine in der “wirtschaftswoche” publizierte umfrage der schwedischen beratungsfirma universum communications und der kölner marktforscher access ergeben hat…
ich bin ihnen wirklich dankbar ( und das ist nicht polemisch!), dass sie mit ihrem kommentar wieder ein kleines puzzle-stückchen beigesteuert haben, mit dem das bild von google noch detaillierter wird…