Das Buch
Es bedarf einer kleinen Portion Mut, ein Buch über Google zu schreiben, das sich kritisch mit dem Unternehmen auseinandersetzt, ungeschminkt die negativen Seiten der »hippsten« Firma der IT-Ära aufzeigt und vor dem Weltkonzern warnt. Mehrmals wurde ich gefragt, ob ich denn keine Angst vor Googles Macht und Anwälten hätte, wenn ich einen Einblick in die dunklen Ecken Googles liefere. Ich habe keine Angst, da alles, was ich in einer fast neun Monate dauernden Recherche zusammengetragen habe, hieb- und stichfest ist. Mut braucht man aber dennoch.
Erstens, weil die Internet-Gemeinde der Firma aus dem kalifornischen Mountain View zumeist positiv und unkritisch gegenübersteht. Google gilt als hipp, cool, bunt, freundlich und als der beste Arbeitgeber; wehe dem, der sich etwas gegen das derzeit beliebteste Internet-Unternehmen der Welt zu sagen bzw. zu schreiben traut. Der bekommt den Ärger in den Foren des Web zu spüren.
Zweitens, weil in den vergangenen Monaten vermehrt von verschiedenen Seiten kritische Stimmen laut geworden sind, die vor Googles Dominanz warnen und eine Aufsplittung des Konzerns fordern, was von den Google-Befürwortern als »Google-Bashing«, also eine Schlechtmachung der Firma, bezeichnet wird. Vor allem die Konkurrenten des Konzerns fördern diese Stimmung: Microsoft hat 2007, kurz nachdem bekannt wurde, dass Google den Online-Werbevermarkter DoubleClick kaufen will, eine PR-Agentur (Burson-Marsteller) beauftragt, Stimmung gegen Google zu machen. Nur allzu leicht ist man mit dem Vorwurf konfrontiert, auf den Zug des Google-Bashing aufzuspringen und davon profitieren zu wollen; weil, und hier schließt sich bei Drittens der Kreis zum ersten Punkt: Jeder, der sich schlecht oder kritisch gegen Google äußert, ist automatisch ein Google-Basher. Genau deshalb ist es notwendig, ein Buch zu schreiben: »Die Google-Falle«, das erste kritische Google-Buch.
Gleich vorweg: Selbstverständlich war mir auch Google bei diesem Buch behilflich. Nicht nur mit zahlreichen Interviews, die ich im Googleplex im kalifornischen Mountain View, San Francisco oder am Telefon führen konnte, sondern auch als Suchmaschine. Google ist praktisch und kann hilfreich sein – wenn man weiß,wie man sucht. Googles Suchfunktion hat dabei geholfen, Informationen zu finden, die man mit den vor Jahrzehnten gebräuchlichen Methoden nur sehr mühsam ans Tageslicht befördert hätte– lange Telefonate, Recherchen in Zeitungsdatenbanken und Bibliotheksbesuche wären notwendig gewesen; etwa um die diversen Patente ausfindig zu machen, anhand derer man Googles wahres Gesicht erkennen kann. Heute geht eben alles auf Knopfruck. Begriffein eine Suchmaske tippen und die »Enter«-Taste drücken – fertig.
Hauptinformationsquelle für die “Google-Falle” war aber freilich nicht die Suchfunktion Googles, sondern Dutzende Experten, mit denen ich in z. T. stundenlangen Interviews, Gesprächen und via E-Mail mehr über den Such-Giganten herausgefunden habe. Der Titel »Die Google-Falle« machtfreilich deutlich, dass es sich um keinen Jubel-Trubel-Heiterkeits-Bericht handelt – den hat der Pulitzer-Preisträger David Vise mit seinem Buch »Die Google-Story« schon geschrieben.
»Die Google-Falle« hat ein anderes Ziel: Sie soll zur Bewusstseinsbildung beitragen und aufzeigen, in welchem Zwiespalt Internet-Nutzer leben, welche Versäumnisse Europa gemacht hat und worauf wir achten sollten, wenn wir das Internet für unsereZwecke nutzen wollen. Es wird anhand von Fakten bewiesen, dass Google seit Jahren schon der eifrigste Datensammler der Welt ist, dass es zahlreiche Patente auf Methoden gibt, mit denen die Internet-Nutzer verfolgt, analysiert und kategorisiert werden. Dass Versprechen, keine Daten auszuwerten und sie nach 18 Monatenzu löschen, nur Lippenbekenntnisse sind und warum man Informationen und Daten über die Nutzer braucht, um auch in Zukunft erfolgreich sein zu können. In der “Google-Falle” steht aber auch, welche Pläne Google für die Zukunft hat; warum es ins Handy- und Telekom-Geschäft einsteigen will und wie es den kompletten Werbemarkt – vom Internet über Zeitungen bis hin zum TV– dominieren will. Und wenn Google an Projekten arbeitet, die sich mit Medizin, Genforschung und Genanalyse beschäftigen, sollte uns das zu denken geben und Angst machen. Google ist schon längst keine bloße Suchmaschine mehr. Es ist eine der wertvollsten Firmen derWelt, die es einem ausgeklügelten PR-Konzept und der großen Masse an begeisterten Internet-Nutzern zu verdanken hat, dass deren Chefs zu den reichsten Geschäftsleuten der Welt gehören. Auf Kosten des Datenschutzes.
Die Welt ist eine Kugel, sie sollte keine Google werden.
Gerald Reischl im März 2008